Als ein Teilgebiet der Zahnmedizin ist die Kieferorthopädie in erster Linie mit der Lokalisation und natürlich auch der Behandlung von Fehlstellungen im Bereich des Kiefers zuständig. Das klingt vielleicht wie eine medizinische Tautologie, doch ist der Kieferorthopäde auch für Verhinderung späterer Fehlstellungen verantwortlich und das betrifft Zähne wie Kiefer gleichermaßen. Inhaltlich bezeichnet der Fachbereich eine Kieferregulierung, außerhalb Deutschlands wird aber auch von einer Zahnregulierung gesprochen. Diese Begriffe umfassen ein heute mit modernster Technik arbeitendes Gebiet der Medizin, das in den letzten Jahren und Jahrzehnten imposante Verbesserungen, Durchbrüche, Erfolge erzielen konnte, so dass heute eigentlich niemand mehr Angst vor einem Besuch beim Kieferorthopäden haben muss.
Das war bekanntlich nicht immer so und wer ein bisschen in der Geschichte der Zahnmedizin respektive Kieferorthopädie recherchiert, der stößt dann ganz folgerichtig auf entsprechende Grausamkeiten. Im Mittelalter, seines Zeichens ohnehin keine sonderlich lustige Epoche, waren die Bader und Heiler oft ungelernt und wenn es an die Zähne ging, waren Schmerzen vorprogrammiert. Infektionen waren die Regel und richtige Fehlstellungen wie sie sich heute fast problemlos durch eine moderne Kieferorthopädie lösen lassen, führten in vielen Fällen zum Tode. Auf der anderen Seiten setzen Wunderheiler auf absurde Methoden und führten beispielsweise Kieferklemmen ein, die an der Fehlstellung selbst nichts änderte, dafür aber enorme Schmerzen und natürlich jede Menge Lästerei hervorbrachte.
Aber die Geschichte ist wie wir alle wissen längst nicht am Ende und so brauchen wir nur mal in ärmere Länder zu schauen, um die Auswüchse unprofessioneller Zahnmedizin kennenzulernen. Sicher, in vielen Ecken dieser Erde geht es gar nicht anders und der „Arzt“ praktiziert gleich auf der Straße, doch ist das glücklicherweise in unseren Breiten kein Thema mehr. Wer freilich eine Behandlung beim Kieferorthopäden durchführen lässt, der kann zur zusätzlichen Entspannung auch mal an die überkommenen oder zumindest weit abseits dargebotenen Methoden denken, das verschafft mit Sicherheit Erleichterung.
Bevor die eigentliche Behandlung und der Eingriff am Kiefer beginnen können, braucht es eine umfangreiche Diagnostik. In der Regel nimmt der Kieferorthopäde hier eine ausführliche Untersuchung vor, gepaart mit der sogenannten ätiologischen Beurteilung der Gesamtsituation. Es folgen verschiedenen Analysen zum Modell, zur Funktionalität und mitunter auch eine Untersuchung mit Röntgen, um weiteren Aufschluss zu erhalten. Diese Abschnitte der Diagnostik dienen einer Beurteilung der Lage des Ober- wie Unterkiefers, dazu kommen Befunde zum Dentitionsstadium.
Ist alles erfasst und untersucht kann der Kieferorthopäde den Beginn der Therapie festlegen. Das hat Einfluss auf die Dauer der Behandlung, zumal manche Eingriffe ohnehin nur in einem bestimmen Zeitrahmen durchführbar sind.
So ist bei Spalten in Lippen, Gaumen oder eben Kiefer postnatal zu untersuchen und gegebenenfalls auch zu operieren, da diese Fehlstellungen in den ersten Tagen nach der Geburt dann auch am besten beurteilt werden können. Auch das spätere Milchgebiss, das sich bekanntlich bis zum 3. Geburtstag ausbildet, erfordert eine kieferorthopädische Untersuchung und viele Fehlstellungen lassen sich, das ist mittlerweile wissenschaftlicher Konsens, in diesen jungen Jahren ausgezeichnet und schnell beheben. Weiterhin beurteilt wird das Wechselgebiss, das sich bis zum etwa 12. Lebensjahr untersuchen lässt und eine permanente Dentition wird dann in der Regel in der Phase der Pubertät vorgenommen. In diesem Zeitraum finden sich, oft zum Leidwesen der Heranwachsenden, die meisten Zahnspangen und Extraktionstherapien, wobei es heute vorzügliche Methoden wie Invisalign und andere unsichtbare Eingriffe gibt. Zuletzt bleibt dann nur noch die Kieferorthopädie beim Erwachsenen, die meistens dann durchgeführt, wenn die Betroffenen bis dahin noch keine oder eben ungenügende Untersuchungen durchlaufen hat. Da gibt es zum Beispiel auch pathologische Zahnwanderungen, Parodontalerkrankungen oder gerade im Alter die präprothetischen Eingriffe. Meistens verweigern sich hier übrigens die gesetzlichen Kassen und verweisen auf die Vorsorgepflicht, was natürlich nicht in jedem Fall so vollkommen berechtigt ist.
Die einzelnen angewandten Methoden sind je nach Untersuchungsergebnis mehr oder weniger aufwendig und bedürfen in jedem Fall einer umfassenden Aufklärung. Patienten wollen auch Fachbegriffe verstehen und so werden heute im Rahmen einer verbesserten Kommunikation zwischen Kieferorthopädie und Behandelten die einzelnen Verfahren wie Schritte genau erklärt.
Beinahe Standard ist beispielsweise die Dentofaziale Orthopädie. Dabei kommt es zur Ausübung von starken Kräften, die Ober- wie Unterkiefer am Wachstum hindern. Für einen solchen Eingriff stehen die Kappe für Kopf, Kinn und Probleme am Unterkiefer bereit und auch bei einer Protraktion des Oberkiefers kommen spezielle Masken zum Einsatz.
Bei der Orthodontie hingegen werden allein die Zähne bewegt. Das ist ein großer Unterschied gegenüber dem Einwirken großer Kräfte auf die Strukturen des Skeletts! Orthodontische Eingriffe beinhalten deshalb in der Regel den Einsatz von speziellen Klammern, Spangen, Apparaten. Diese lassen sich entweder herausnehmen oder fest installieren, wobei es hier eine Reihe von unterschiedlichen Varianten gibt. Grundsätzlich ist jedoch klar, dass eine festsitzende Klammer schneller und sicherer zum Erfolg führt als die manchmal vom Patienten etwas lax verwendete herausnehmbare Spange. Diese Art Eingriffe sind übrigens unabhängig vom Lebensalter durchführbar.
Ein etwas weiteres Feld ist die Chirurgische Kieferorthopädie. Hier reichen Klammern und Orthodontie nicht mehr aus und meistens arbeitet der eigentliche Kieferorthopäde deshalb mit einem speziell ausgebildeten Chirurgen zusammen. Es gibt dabei drei Abschnitte oder Phasen, die vom Mediziner fast immer in dieser Reihenfolge eingehalten werden. Zunächst wird bei der Kieferchirurgie eine Vorbehandlung etwa in Form einer festsitzenden Spange durchgeführt, die mögliche Fehlstellungen im Skelett beseitigt. Danach kommt es zur sogenannten Kieferverlagerung, die Oberkiefer und Unterkiefer erfasst. Zum Abschluss hilft eine individuelle Therapie für den Kiefer beziehungsweise Patienten, bei welcher der Eingriff abgesichert und dauerhaft zum Erfolg geführt wird.
Nicht immer muss geschnitten, installiert und verschoben werden! Die bereits erwähnten flexiblen Zahnklammern sind sicher eine Option für kleinere Fehlstellungen, doch braucht sich heute niemand mehr vor einer festen Zahnspange zu fürchten. Ultramoderne, unsichtbare und ästhetisch ausgezeichnete Möglichkeiten stehen der Kieferorthopädie zur Verfügung und dabei stehen Unauffälligkeit wie Verträglichkeit im Mittelpunkt.
Als unsichtbare Zahnspange, auch Invisalign genannt, kommt es zum Aufkleben einer Spange an die Rückwand der Zähne, was im Fachjargon als Lingualtechnik bezeichnet wird. Ästhetisch ist das natürlich von immensem Vorteil und ist sehr beliebt. Mancher hat zwar Probleme mit der Sprache und lispelt ein wenig für die Zeit des Tragens, doch was ist das schon im Vergleich zur Metallklammer, die jedes Lächeln zu einer Tortur macht? Die unsichtbaren Spangen sind allerdings auch teurer und erfordern einen etwas höheren Aufwand, so dass sich jeder vor dem Eingriff genau bei der zuständigen Kieferorthopädie erkundigen sollte.